Meine Hände zittern, als ich auf sie schaue. Mir ist kalt, während alle um mich rum im T-Shirt sitzen und rumstöhnen, wie warm es doch sei. Ich blicke auf, sehe die Welt wie durch einen dunklen Schleier, der mir den Blick in die Sonne verwehrt. "Entschuldigung", ich erschrecke, als ich meine eigene Stimme höre, "Darf ich mal kurz auf Toilette gehen?". Der Lehrer mustert mich mit uninteressiertem Blick und nickt schließlich in Richtung Tür. Ich stehe langsam auf, es fällt mir schwer, mein Gleichgewicht zu halten. Ganz langsam laufe ich die Treppen runter, die eine Hand auf dem Geländer, die andere auf meinem Bauch. Panik macht sich in mir breit, bis mir auffällt, dass mein leerer Magen gar nichts zum entleeren hat. Ich weiß nicht, warum ich heute noch nichts gegessen hab, ich will nicht zwingend abnehmen, irgendwie fehlt mir einfach der Appetit. Vielleicht will ich leiden, um wenigstens etwas zu spüren. Es dreht sich alles, als ich die Kabinentür hinter mir zu mache und abschließe. Meine schwachen Beine knicken zusammen und ich sinke an die Tür. Der Schwindel lässt nach, meine Übelkeit nicht. Ich schließe meine Augen um vor einen Moment der Realität zu entfliehen, die sich schon lange nicht mehr nach Realität anfühlt. Mir ist der Sinn verschwunden und mit ihm jegliches Bewusstsein. Nach einer Weile ziehe ich mich langsam hoch, trete aus der Kabine, gehe zum Waschbecken und spritze mir Wasser ins Gesicht. Blicke in den Spiegel, sehe mein bleiches Gesicht, an dem sich Wasserperlen runterhangeln. Ich sehe aus wie ein Verlierer.
Als ich zurück in die Klasse trete und mich stumm auf meinen Platz setze wundere ich mich, dass mein Lehrer gar nichts sagt, oder mich vorwurfsvoll anschaut, wo ich doch so lange weg war. Ein Blick auf die Uhr verrät mir den Grund, warum er es nicht tut.Was mir wie eine Ewigkeit vorkam, waren in Wirklichkeit vier Minuten. Mein Magen knurrt, einige Leute grinsen mich an. Ich versuche zurück zu grinsen, in dem ich meine Mundwinkel verkrampft nach oben ziehe. Doch in mir bleibt es kalt, ganz kalt, als habe ich vergessen, was fühlen bedeutet.

i will wait (for the next time)

Die Bühne verdunkelt sich schlagartig, ich stehe dicht, aber nicht zu dicht an dem Gitter. Irgendwie haben wir es geschafft, uns in  die allererste Reihe zu drängen. Mein Herz schlägt schneller als ich Marcus, Ted, Winston und Ben auf die Bühne treten sehe. Es liegt so ein Zauber in der Luft, für einen kurzen Moment verstummt das Publikum komplett und wartet gespannt auf die ersten Töne. Der Körper fängt einfach an sich zu bewegen, für einen Moment vergisst man seine Sorgen und Schmerzen, für einen Moment ist man frei. Ich schließe meine Augen, lausche auf den Bass, lasse mich von den Lichtstrahlen bescheinen und achte auf nichts anderes. Die Musik ist wunderschön und man spürt wirklich gar keinen Unterschied zu der CD. Am liebsten würde ich weinen, so glücklich bin ich.  Wenn man hochblickt sieht man eine ganz große Lichterkette, die magisch aussehendes Licht auf die Zuschauer wirft, die alle ein Lächeln im Gesicht tragen. Für einen Moment verstehen sich alle Menschen, alle verbindet das Gleiche und alle scheinen sich zu verstehen. Für diesen Moment war alles perfekt und wenn man dann wieder in die kalte Nachtluft heraustritt und merkt, dass diese Momente vorbei sind, liegt diese Tatsache ganz schwer auf dem Herzen. Ich will zu diesen Momenten zurück, wo meine Lieblingsband meine Sorgen wegspielt und alle Menschen sich anlächeln, auch wenn sie sich gar nicht kennen, weil sie so unheimlich glücklich sind.